Inklusion als Menschenrecht
Die Umsetzung der Bildungsreformen erzeugt bei Schulleitungen und Lehrkräften gleichermaßen einen hohen Veränderungs-, Innovations- und Erwartungsdruck. Dies gilt insbesondere für die Umsetzung eines qualitativ hochwertigen und inklusiven Schulsystems, auf das seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention 2009 alle Schüler Anspruch haben. Zur Bewältigung dieses Prozesses und der damit verbundenen Herausforderungen benötigen Schulleitungen, Lehrkräfte und erweitertes pädagogisches Personal verlässliche und qualitativ hochwertige Unterstützung und entsprechende Ausstattung.
Inklusion als Herausforderung für Schule, Lehrer und Schüler
Auf die Institution Schule bezogen meint Inklusion den seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland bestehenden Rechtsanspruch einer gemeinsamen und chancengerechten Beschulung aller Schülerinnen und Schüler in der Regelschule. Sie beschreibt die Pflicht, jegliche Form von Diskriminierung und „alle Barrieren in Bildung und Erziehung für alle Schülerinnen und Schüler auf ein Minimum zu reduzieren“ (Boban und Hinz 2003: 11) und „eine möglichst chancengerechte Entwicklung aller Menschen zu ermöglichen“ (Reich 2012: 39). Inklusive Schulsysteme setzen voraus, dass Vielfalt und individuelle Unterschiede von Schülerinnen und Schülern als Normalität und Ressource betrachtet werden und allen Kindern und Jugendlichen die volle Teilhabe am schulischen Leben ermöglicht wird. (Quelle: Lehrerfortbildungen zu Inklusion– eine Trendanalyse Dr. Bettina Amrhein und Benjamin Badstieber im Auftrag der BertelsmannStiftung.)
Rückblick auf die Veranstaltung
Diese Herausforderung war der Anlass einer gemeinsamen Veranstaltung von Aventerra, der GLS Bank und dem Bund der Freien Waldorfschulen. Gemeinsam mit den Podiumsteilnehmern und dem Publikum thematisierte Peter Schrey als Moderator Lösungsansätze und stellte neue Fragen. Denn das komplexe und mit vielen Unsicherheiten besetzte Thema braucht kreative Ansätze, begleitet von kritischen Fragen.
In der Erlebnispädagogik ist Inklusion seit langem selbstverständlich
Wie Peter Schrey einleitend formulierte, ist Inklusion in der Erlebnispädagogik eher die Regel als die Ausnahme. Aventerra hat langjährige Erfahrungen damit, Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichsten Handicaps in den Alltag der Freizeiten und Klassenfahrten zu integrieren. Ob ein Autist mit über die Alpen wandert, ein Blinder im Jugendcamp am Bodensee oder ein Gehörloser beim Segeln auf dem IJsselmeer dabei ist – jedes Mal fand die Gruppe kreative Lösungen für Schwierigkeiten und erlebte die Integration der behinderten Kinder als Bereicherung und am Ende der gemeinsamen Zeit als völlig selbstverständlich.
Die größte Hürde ist der Beton in den Köpfen der Menschen
In der Schule ist Inklusion noch lange keine Selbstverständlichkeit. Angestoßen durch das Impulsreferat von Dr. jur. Reinald Eicholz diskutierten die Podiumsmitglieder kontrovers über die Frage, an welcher Stelle Inklusion ansetzen sollte. Muss der Staat tätig werden? Was muss die Schule leisten? Was der einzelne Lehrer, Betreuer, etc? Die Diskussion machte deutlich, dass die Debatte von vielen Ängsten begleitet wird. Werden die Behinderten ihren Anforderungen gerecht integriert? Können ihre spezielle Bedürfnisse noch ausreichend erfüllt werden? Daher betonte Dr. Eichholz mehrfach, dass die größte Anstrengung darin besteht, die Blockaden in den Köpfen der handelnden Personen zu überwinden.
Inklusion funktioniert auf verschiedenen Wegen
Im schulischen Kontext schreitet die Windrather Talschule, eine Waldorfschule in Velbert-Langenberg im Ruhrgebiet, vorbildhaft voran. Mit großer Begeisterung berichtet Bärbel Bläser, Mitbegründerin der Schule, von ihrem Arbeitsalltag, ohne zu verschweigen, dass jeder Lehrer jeden Tag mit neuen Herausforderungen konfrontiert ist und die Schule sich immer noch in einem Lernprozess befindet. Zwangsgemeinschaften können jedoch nicht das Ziel von Inklusion sein, betonte Dr. Eichholz, um gängigen Vorurteilen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Daher haben Schulen wie das Private Gymnasium Esslingen, vertreten durch Schulleiter Thomas Dahm, die sich speziell um Kinder mit ADHS kümmern, weiterhin ihre Berechtigung. Es kann allerdings nicht angehen, dass behinderte Menschen ihr ganzes Leben in Fördereinrichtungen verbringen und keinen Kontakt mit der „normalen“ Welt haben, stellte Kay Wuttig, Geschäftsführer des Therapeuticums Raphaelhaus in Stuttgart, fest. Deshalb versucht das Raphaelhaus, sich durch konkrete gelebte Beziehungen einer Inklusion, mit Rücksicht auf die speziellen Bedürfnisse der Bewohner, zu nähern.
„Mein Sohn ist wunderbar – genauso wie er ist.“
Zum Abschluss der Veranstaltung zitierte Peter Schrey aus dem Brief eines Vaters: „Mein lieber, menschlicher, lustiger und faszinierender Sohn ist absolut in Ordnung so wie er gerade ist. Er liebt Fußball, das Malen, mit Autos spielen, mit Freunden lachen - wie jeder andere Sechsjährige. Und zufällig hat er Down-Syndrom. Aber das ist kein Problem für ihn. Er braucht nicht verändert oder geheilt zu werden. Vielmehr braucht er Teilhabe und Inklusion.“
Kongress "Vielfalt erleben - Wege zur Inklusion"
Alle offenen gebliebenen Fragen können auf dem Kongress des Bunds Freier Waldorfschulen „Vielfalt gestalten“ vom 20. – 22. September 2013 in Berlin, ausführlich weiter diskutiert werden. Auch Aventerra wird dort präsent sein. Peter Schrey wird gemeinsam mit Petra Schneider einen Workshop zu Erlebnispädagogik und Inklusion geben.