Zwölf Teilnehmer unserer Ausbildung sind in Nürnberg und erhalten Erkenntnisse über die zwölf Sinne des Menschen: Die Sinneslehre Steiners geht von 12 Sinnen aus, die sich in drei Gebiete des menschlichen Erlebens einteilen lassen:
- Wahrnehmung des eigenen Körpers
- Wahrnehmung der uns umgebenen Umwelt
- Wahrnehmung des Mitmenschen als menschliches Wesen
Diese Gebiete werden unterteilt in untere, mittlere und höhere Sinne, diesen werden jeweils vier Sinne zugeordnet. Die höheren Sinne sind die Sinne welche uns grundsätzlich von den Tieren unterscheiden. Da der Mensch unserer Umwelt angehört, so muss es auch Sinne geben welche typisch menschlich sind. »Die vier niederen Sinne übermitteln uns die Taten und Leiden unseres Körpers. Die vier mittleren Sinne offenbaren uns die Natur der uns umgebenen Welt insofern, als diese Welt substantiell ist. Die vier Höheren Sinne verschaffen uns die Möglichkeit, in die Seelensphäre der Umwelt einzudringen. Wir hören den Klang und das Wort der Seele um uns und verstehen daher ihre Gedanken, Gefühle und Willensimpulse. Der ICH-Sinn offenbart das innerste Wesen der anderen Individualität« (König 1969,144).
Als die unteren, unbewussten körperlichen Sinne gelten:
- Tastsinn = Erleben der Haut, der Grenzen, des Substanziellen
- Lebenssinn (Vitalität) = Erleben des eigenen Zustandes, von Wohlbefinden bis hin zum Schmerz
- Bewegungssinn = Erleben der Eigenbewegung
- Gleichgewichtssinn = Verhältnis zur Umgebung, in den drei Dimensionen
Die gemeinsamen Merkmale dieser Sinne bestehen darin, dass alle diese Sinne die Prozesse, die sich in unserem Körper vollziehen und offenbaren, wahrnehmen. Außerdem verlaufen alle Wahrnehmungsprozesse dieser Sinnesgruppe unbewusst und Stellen eine Wechselwirkung des Wollen mit der Umwelt dar.
Als die vier mittleren, halb-bewussten, seelischen Sinne gelten:
- Geruchssinn = übermittelt uns den individuellen Geruch jeder Substanz
- Geschmacksinn = vermittelt uns den Eindruck der Zusammensetzung einer Substanz
- Sehsinn = zeigt uns den umliegenden Raum und was er enthält
- Wärmesinn = übermittelt uns die Temperatur der umliegenden Welt
Diese Sinne sind die Bekanntesten Sinne da sie außer dem Wärmesinn alle sichtbare Organe haben. Alle vier Sinne liefern uns Informationen aus der Umwelt und nehmen diese wahr. Sie haben dabei aber auch eine emotionale Komponente und sind mit den Gefühlskräften verbunden.
Als die vier höchsten, rein-menschlich, wach-geistige Sinne gelten:
- Hörsinn = erschließt uns die Welt der Klänge, Töne und Laute
- Wortsinn = lässt uns erfahren, ob ein Klang Geräusch oder Sprache ist
- Denksinn = vermittelt uns die Bedeutung eines Wortes oder Satzes
- Bzw. den symbolischen Gehalt des gesprochenen Lautes
- Ichsinn = ist die Fähigkeit der Seele, die unmittelbare Gegenwart eines anderen Menschen wahrzunehmen, gleichzeitig aber auch das Begreifen der Individualität
Gemeinsam ist dieser Sinnesgruppe, dass sie den zwischenmenschlichen Kontakt ermöglicht und dabei einen Intellektuellen Charakter hat. Wobei die drei letzten Sinne rein menschliche Sinne sind, die keine Organe mit bestimmtem Sitz haben und sich unbewusst im Kind entwickeln. Sie werden »Erkenntnissinne« genannt, da sie ein Erwachen im Reich der Gedanken ermöglichen und damit Verbindung für das gesamte kulturelle Wissen und das ganze soziale Verhalten in der menschlichen Gesellschaft sind.
Die anthroposophische Heilpädagogik geht davon aus, der Mensch ist ein Wesen von Gleichgewichtswirkungen, und seine körperliche wie seelische Gesundheit liegt im ausbalancieren von gegensätzlichen Kräften. In der anthroposophischen Geisteswissenschaft, und somit auch in der anthroposophische Heilpädagogik, geht man davon aus, dass das Geistwesen sich im Leiblichen, bei der Geburt, inkarniert (Reinkarnation). Dies bedeutet, dass die Seele bereits Vorhanden ist und der Leib sich um diese Seele herum bildet. Für das Zusammenwirken von Leib und Seele ist unser Organismus polar aufgebaut.
Der Kopfpol und der Stoffwechselpol sind entgegengesetzte Systeme, die durch das rhythmische System verbunden sind. Nichts geschieht im oberen Mensch, dass nicht seinen Gegenprozess im unteren Menschen hat und umgekehrt. Zum unteren Pol gehört der Aufbau mit seien lebensfördernden Funktionen, die unterhalb des Bewusstseins verlaufen, zum Kopfpol mit seiner Wachheit und der geringen Vitalisierung der Abbau. Im ständigen Ineinander spiel gibt es jeweils eine Resonanz auf die unteren Kräfte im oberen und die oberen im unteren Pol, die durch die rhythmischen Prozesse in der Mitte im Gleichgewicht gehalten werden. Der Herzschlag mit Systole und Diastole, die Ein- und Ausatmung, Wachen und Schlafen, repräsentieren immerwährend den Wechsel und den Ausgleich. In der Umkehrung des Aufbaues in den Abbau kann sich unser bewusstes Seelenleben entfalten.
Geht man davon aus, dass der Mensch ein Wesen von Gleichgewichtswirkungen ist, so ergibt sich daraus, dass die körperliche wie seelische Gesundheit im Ausbalancieren von gegensätzlichen Kräften zu sehen ist. Daraus resultiert, dass Krankheiten erhebliche Störungen im Gleichgewicht sind. Da es nach zwei Richtungen aus der Mittellage kommen kann, lassen sich immer entgegengesetzte Krankheitspaare finden. Das Durchschauen gegenüberliegender Erkrankungsmöglichkeiten gehört zu den Grundlagen anthroposophisch orientierter Medizin.
Der Therapeutische Ansatz ist in der anthroposophischen Heilpädagogik im Suchen nach einer Gegenwirkung welche die krankhafte Einseitigkeit beeinflusst. Sie sollen nicht harmonisierend wirken sondern selbst einseitig sein, und ist für gesunde Kinder nicht geeignet. So wird zum Beispiel gezeigt, wie man durch schockartig wirkenden Tempowechsel im Unterricht einen ausfließenden Astralleib kräftigen kann, wie man durch das lange rhythmische Wiederholen eines Spruches den Kindern hilft, die ihre Vorstellung nicht heraufholen (in Erinnerung rufen) können. Die gezielten Behandlungen werden ergänzt durch harmonisierende therapeutische Maßnahmen, welche die heilenden Kräfte aus der Mitte heraus stärken. In den Schriften über die Heilpädagogik finden wir den Hinweis, dass fast alle Entwicklungsstörungen ganz allgemein eine Schwäche des Ätherleibs zugrunde liegt. Steiner spricht von schlechten Ätherleibern. Der Ätherleib ist aber Wesensglied der heilenden Kräfte im Mensch. Während Ich und Astralleib sich in der wachen Seelenbestätigung durch den Abbau entfalten können und an unseren Leibeskräften zehren, müssen die Stoffe unseres physischen Leibes lebendig gehalten werden. Die Belebung und den Wiederaufbau besorgt der Ätherleib, darüber hinaus vermag er aus seinen Kräften krankhafte Prozesse wieder auszugleichen und selbst dauernde Mängel in der physischen Organisation durch besondere Aktivität zu kompensieren.
In der Kindheit sind diese Kräfte sehr reich und nehmen im Laufe des Lebens ab. Hier ist vor allem die Tatsache interessant, dass selbst Mängel des physische Gehirns durch ätherische Aktivierung in der Kindheit überwunden werden können, vor allem durch geeignete Erziehung und Übung, unterstützt durch Medikamente und andere Behandlungen. Es gehört zu den fruchtbarsten Erkenntnissen, die der Geisteswissenschaft zu verdanken ist, dass es einen Ätherleib gibt, in dem ungeahnte Heilungsmöglichkeiten liegen, wenn es gelingt, ihn seinem Wesen nach zu behandeln. Die ätherischen Kräfte haben eine enge Beziehung zum rhythmischen System, welches als leibliche Grundlage für das Fühlen die innerlichste Region des Menschen ist und durch seine Vermittlung zwischen dem Kopf mit dem Nerven-Sinnens-System und den Gliedern mit dem Stoffwechsel-Gliedmaßen-System vom Zentrum her ausgleichen wird. Deshalb wirkt alles, was wir durch den Rhythmus bewirken, stärkend auf den Ätherleib.
Rhythmen und die Berücksichtigung von rhythmischen Gesetzmäßigkeiten in der Behandlung sind Kernpunkt in der anthroposophischen Methode. Literaturangaben: Peter Schneider Einführung in die Waldorfpädagogik Johannes Kirsch Erziehung einmal anders Rudolf Steiner Aufsätze Helmut Klimm Heilpädagogik auf anthroposophischer Grundlage Gabi Faupel Wahrnehmungsstörungen und Wahrnehmungsförderungen A. D. Fröhlich